„Wenn ich wie jetzt in Wahrheit erkannt hätte,
dass in diesem Palast meiner Seele
ein so großer König wohnt,
dann hätte ich ihn meines Erachtens
nicht so oft allein gelassen.“
Teresa von Avila
Das teresianische Charisma des Gebetes, verstanden als eine intensive Freundschaftsbeziehung mit Jesus, ist jene Gnadengabe, die Gott der hl. Teresa von Jesus (besser bekannt als Teresa von Avila, 1515-1582), für die Erneuerung des Karmel geschenkt hat.
Sie verstand ihre Reform als Rückkehr zum kontemplativen Ideal der Gründergemeinschaft des Karmel und zur ursprünglichen Regel, die sie fortan in ihrer ganzen Radikalität leben wollte.
Neu ist vor allem die apostolische Dimension, mit der Teresa von Jesus die karmelitanische Spiritualität bereichert hat. Sie will die Gebetsberufung der Karmelitinnen und das Streben nach einem Leben tiefer Gottverbundenheit als Dienst an der Welt verstanden wissen, indem die Karmelitinnen die Sorgen und Nöte der Welt ganz bewusst in ihre Gottesbeziehung hineinnehmen.
„Seinem innersten Wesen nach verlangt das Teresianische Charisma, dass das Gebet, die Weihe an Gott und alle Kräfte einer Karmelitin auf das Heil der Seelen ausgerichtet sind“. (Konstitutionen)
„O meine Schwestern in Christus, dazu hat euch der Herr hier versammelt, das muss euer Verlangen sein, dies der Gegenstand eure Wünsche, eurer Tränen und eurer Bitten! Die Welt steht in Flammen! Nein, meine Schwester, nein, es gibt keine Zeit, um mit Gott über Geschäfte von wenig Bedeutung zu verhandeln.“ Teresa von Avila (Weg d. Vollk. 1,5)
- Inneres Gebet und die apostolische Ausrichtung des kontemplativen Lebens
- ein Leben des Schweigens und der Einsamkeit in der Zurückgezogenheit der Klausur
- kleine, überschaubare Gemeinschaften mit familiärem Charakter (max. 21 Schwestern)
- eine kluge Ausgewogenheit zwischen einem Leben der Einsamkeit und der Gemeinschaft
- strenge Armut
Auf einige Merkmale der teresianischen Reform wollen wir hier noch näher eingehen:
- Inneres Gebet
Inneres Gebet ist das Bewusstwerden der Gegenwart Gottes im Menschen und die Pflege der liebenden DU-Beziehung mit dem lebendigen Gott.
Teresa definiert das innere Gebet als einen liebenden „Umgang mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, weil wir sicher sind, dass er uns liebt.“ Teresa von Avila (Leben 8,5)
Teresa hat den Innenraum ihrer Seele entdeckt und erkannt, dass sie seit ihrer Taufe von Gott bewohnt ist. Ihr Leben der Einsamkeit wandelt sich von diesem Zeitpunkt an zu einem Leben in beglückender Zweisamkeit. „Wenn ich wie jetzt in Wahrheit erkannt hätte, dass in diesem winzigen Palast meiner Seele ein so großer König Platz hat, dann hätte ich ihn meines Erachtens nicht so oft allein gelassen.“ Teresa (Weg d. Vollk. 48,3)
Sie hat unglaubliche Entdeckungen gemacht und im Bild der inneren Burg die Reise des Menschen durch die sieben Wohnungen beschrieben bis in die innerste Mitte, in der Gott selbst, der König dieser Burg, wohnt und die Liebesvereinigung wirkt. Mit Hilfe verschiedener Bilder versucht sie das Innere der Seele zu beschreiben und ermutigt die Menschen, sich auf diese wunderbare Entdeckungsreise zu begeben.
In einer sehr lebendigen Art und in großer, freimütiger Offenheit gewährt Teresa in ihren schriftlichen Werken Einblick in ihr Abenteuer der Liebe mit Gott und in ihre Gotteserfahrung. Sie möchte Zeugnis geben von der Existenz Gottes und führt uns anhand dieser Schule des Gebetes zu den Höhen christlicher Mystik, zu der alle Menschen berufen sind.
„Oh ihr Seelen, die ihr die Übung des inneren Gebetes begonnen habt und im wahren Glauben lebt! Sehet doch, wie Gott in Wahrheit sich denen hingibt, die um seinetwillen alles verlassen! Bei ihm ist kein Ansehen der Person: Er liebt alle. Da ist keiner ausgenommen, so elend er auch sein mag, wie Gott dies an mir beweist, da er mich auf diese Stufe erhebt." Teresa von Avila (Leben 27,12)
- Einsamkeit
Mit Einsamkeit ist hier keine bloße Isolation gemeint, sondern die Suche nach der Begegnung mit Gott, um ganz für ihn allein da zu sein, seinem Wort zu lauschen und sich seiner Liebe hinzugeben. Die Einsamkeit wandelt sich somit zur liebenden Zweisamkeit mit Gott.
Die Karmelregel schreibt vor:
„Ein jeder soll allein in seiner Zelle oder in deren Nähe bleiben.“
Der erste Schritt ist die äußere Einsamkeit, damit die ganze Aufmerksamkeit des Herzens auf Gott gerichtet werden kann. Hinzukommen muss dann auch die innere Einsamkeit und somit die Losschälung von allen Menschen und Dingen, die den Geist und das Herz gefangen nehmen und verhindern, die ganze Liebeskraft ihres Herzens für IHN zu bewahren. Die Seele muss leer und frei werden von allem, was ihrer Vereinigung mit Gott entgegensteht. So wird die wahre Einsamkeit Wegbereiterin für die Beschauung und für das Wirken des Heiligen Geistes in der Seele.
- Schweigen
Für ein Leben der inneren Sammlung sind das Schweigen und die Atmosphäre der Stille unerlässlich. Erst in der Stille findet man sich selbst und dies disponiert den Menschen wiederum, Gott finden zu können.
Die erste Stufe ist das äußere stille Verhalten des Menschen, das allen unnützen Lärm vermeidet. Die äußere Haltung des Menschen hat eine Rückwirkung auf den inneren Menschen und auch umgekehrt.
Mit dem wahren Schweigen ist nicht ein leeres Schweigen und bloßes Nicht-Reden gemeint, das in sich selbst verschließt, sondern ein Schweigen in Fülle, das den Menschen von den inneren und äußeren Einwirkungen leert, ihn zum Hören befähigt und ihn für die Begegnung mit Gott öffnet.
Darum muss zum äußeren Schweigen auch das innere Schweigen hinzukommen, das Schweigen der Gedanken, Bilder, Vorstellungen, Vorwürfe, um im Herzen Raum zu schaffen für das Wort Gottes. Wer redet, stellt sich selbst in den Mittelpunkt, doch wer schweigt, schafft Raum, dass Gott reden kann.
Beten heißt nicht bloß schweigen oder sich selber reden hören, sondern heißt dahin kommen, dass man schweigt und im Schweigen verharrt, bis Gott redet. Gott zu empfangen ist das Hauptwerk kontemplativen Gebetes.